Für meine zweite Einlassung auf Kafkas Weltsicht habe ich die beiden Erzählungen „Elf Söhne“ und „Ein Landarzt“ ausgesucht. Im ersten Stück schildert ein Vater Erscheinungsbild und Wesen seiner elf Söhne. Im zweiten begegnet ein Landarzt auf einer nächtlichen Reise zu einem Schwerkranken den verdrängten Abgründen seiner Existenz, ohne sie restlos deuten zu können. Ein reizvolles Unterfangen für einen Interpreten, Kafkas Sprachkraft, Bildgewalt, seine Poesie und nicht zuletzt seinen immer wieder durchschimmernden Humor im Spiel auf der Bühne ausdrücken zu können.
(Dauer: 1 1/2 Stunden)
Inszenierung: Wolfgang GraczolAssistenz: Beate Lesser
Technik: Anne Steiner-Graczol
Fotos: Manfred Liedtke
Pressestimmen:
In seiner monologischen Form bietet „Elf Söhne“ bei einer textgetreuen Umsetzung an sich nur wenig Spielraum. Doch Graczol, der bereits bei der Inszenierung der Erzählung „Das Urteil“ seinen Sinn für die pointierte Interpretation von Kafkas Prosa unter Beweis gestellt hat, schafft es mit Leichtigkeit, dem Text mit einfachsten Mitteln Leben einzuhauchen. Als beiläufig von den Stärken und Schwächen seiner Söhne berichtender Vater spielt er mit Kafkas Worten, lässt seine Sätze nachdenklich, bisweilen fast zerfahren wirken und findet Pointen, die einem bei gewöhnlicher Lektüre leicht entgehen. Als Kulisse braucht es da nicht mehr als einen Stuhl und einen Tisch mit einigen Fotografien.
Starke Inszenierung
Den stärksten Eindruck des Abends hinterlässt jedoch die Inszenierung der alptraumhaften Erzählung „Ein Landarzt“. Hier wird die mehrere Figuren umfassende Handlung mit einer durchdachten Kulisse, einfachen Effekten und einer passenden Musikauswahl geschickt auf den Hauptdarsteller Graczol reduziert, der als in Ich-Form berichtender Arzt auf nächtlichem Patientenbesuch wie ein Fieberkranker über die magisch belebte Bühne wankt. Man hat fast das Gefühl, eine differenziertere Ausstattung oder zusätzliche Schauspieler hätten dieser starken Inszenierung eher geschadet als genutzt, die in ihrer Zurückhaltung großen Respekt vor Kafkas Text zeigt und ihm gleichzeitig zu höchster Wirkung verhilft. Ganz zurecht erhält Wolfgang Graczol dafür am Ende begeisterten Beifall. (dte)
(Mannheimer Morgen, 05.12.2013)